Die Würde der Schuhbändel

Die besten Schuhe meines Lebens

Meine erste Erfahrung mit wirklich guten Wanderschuhen verdankte ich meiner Tante Lillian. Ich war damals in der zweiten Klasse, als Tante Lillian und Onkel Alois aus Basel zu Besuch kamen. Wenn sie kamen, war das immer ein grosses Ereignis, sie kamen eher selten, aber dafür um so unvergesslicher.

Irgendwann fragte mich Tante Lillian, was ich in den Sommerferien vorhätte. Ich erzählte ihr, mein Vater habe mich in ein Schullager im Bündnerland angemeldet, in Madulain, in der Nähe des Nationalparks. Viel wandern würden wir dort, hiess es, und ich freute mich darauf.

Eine Woche später kam überraschend Post. Tante Lillian hatte mir ein Paar Wanderschuhe von Bally geschenkt. Blaue Schuhe mit kräftigen roten Schuhbändeln und farbigen Schuhsohlen. Sie sahen nicht nur grossartig aus, sie waren federleicht, bequem, extrem robust, wasserdicht und, ja, …unglaublich sexy.

Solche Schuhe hatte ich noch nie besessen und wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt gab. Ich wuchs sicher zwanzig Zentimeter vor Stolz, und alle beneideten mich um dieses Paar. Dass ich sie nicht noch mit ins Bett nahm, war ein Wunder, wobei ich ehrlich gesagt nicht mehr sicher bin, ob ich es nicht doch getan habe.

Sie waren bestimmt sehr teuer, aber für mich waren sie einfach unbezahlbar. Seit dem sind ein gutes Paar Schuhe für mich immer so selbstverständlich wie ein Dach über dem Kopf. Wer, wie ich immer Hunde an seiner Seite hat, weiss was es heisst, wirklich draussen zu sein, bei Regen, Sonne, Wind und Stürmen, auf rauen Pfaden, im Schnee, im Schlamm, im Sand. Und so lernte ich, dass es kein Luxus ist, Wanderschuhe von Bally zu tragen.

Drama des gerissenen Schuhbändels

Und dann ist es passierte,… heute Morgen. Der Alptraum eines Wander- und Hundefreaks. Der Schnürsenkel meines erst vier Jahre alten Bally-Hike-Schuhs ist gerissen.
Zuerst habe ich noch hoffnungsvoll im Schrank nach Ersatz gesucht und danach überlegt, ob es in der Migros im Dorf welche gäbe,… dort angerufen,… Fehlanzeige.

Also mache ich mich auf den Weg in die Stadt, voller Vertrauen visiere ich den Bally Laden an. Das Geschäft ist wie immer sehr elegant, freundliche Verkäufer, polierte Auslagen, dezenter Duft. Nur eines fehlt: Schuhbändel. Man rät mir höflich, ich solle es doch bei einem Schuster versuchen oder vielleicht im Internet. Ich lächle höflich, kaufe nichts und ziehe weiter.

In einem anderen Schuhgeschäft, eigentlich nicht mein Stil, werde ich dann fündig,…aber na ja…nicht so richtig, habe dann ein paar gekauft zur Not. Ein wenig frustriert gehe ich nach Hause.

Die Odyssee im Internet

Im Internet werde ich schliesslich fündig, ein Anbieter hat tatsächlich die richtigen Schuhbändel, für günstige 5.21 Franken, inklusive USt. Nur ein kleiner Haken: Der Versand erfolgt aus den USA. Nicht, dass ich etwas gegen die USA hätte, aber wegen eines oder zwei Paares Schuhbändel ein Flugzeug starten lassen? Das kann es irgendwie auch nicht sein.

Also habe ich ich weiter gesucht und bin schliesslich auf ein Angebot bei Temu gestossen. Angeblich soll es dort auch einfache, schlichte Schnürsenkel aus der Schweiz geben. Voller Hoffnung klicke ich auf den Link und erlebe eine kleine Katastrophe oder so ähnlich. Was sich da auftut, ist ein Feuerwerk an Kitsch: Schuhbändel mit Perlen, Glitzer, Spitzenbändern, Schleifchen und sogar Schlangenornamenten. Alles blinkt, glitzert und funkelt mir entgegen. Meine armen Augen. Ich weiss nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

Wer hätte gedacht, dass die Suche nach einem schlichten Paar robuster Schuhbändel zu einer derart surrealen Odyssee werden würde?

Nach weiteren Irrwegen finde ich endlich was ich suche, bei schuhband.ch unter Bergsport/Trekking. Ein Paar perfekte Bändel, 24 Franken, dazu 6.50 Zustellung.

Zusammen mit dem, was ich in der Stadt für provisorische Bändel bezahlt habe , die ich eigentlich gar nicht brauchen kann, hat mich das Abenteuer am Ende rund 40 Franken gekostet. Ganz zu schweigen von der verlorenen Zeit und den strapazierten Nerven.

Der stille Philosoph auf vier Pfoten

Benji, mein Irish Setter sitzt neben mir, schaut mich an, seine kräftigen Pfoten fest auf dem Boden.

Sein Blick scheint zu sagen: „Siehst du, wieso ich Pfoten habe?“
Und ja, … manchmal beneide ich ihn wirklich…, und wer würde da nicht gerne tauschen