Die Würde der Schuhbändel

Die besten Schuhe meines Lebens Meine erste Erfahrung mit wirklich guten Wanderschuhen verdankte ich meiner Tante Lillian. Ich war damals in der zweiten Klasse, als Tante Lillian und Onkel Alois aus Basel zu Besuch kamen. Wenn sie kamen, war das immer ein grosses Ereignis, sie kamen eher selten, aber dafür um so unvergesslicher. Irgendwann fragte … Weiterlesen

Demokratie beginnt dort, wo jemand die Hand nicht hebt

Ein Blick auf X genügt, um zu sehen: Die Angst geht um. Sie richtet sich nicht mehr gegen einen konkreten Feind, sondern gegen ein diffuses Gespenst: den Rechtsextremismus, verkörpert durch AfD, SVP und ähnliche Erscheinungen. Man diskutiert nicht mehr nüchtern. Man fürchtet. Man ringt um Kontrolle, nicht über die Extreme, sondern über die eigenen Landsleute. … Weiterlesen

Das Verblassen von Männerdomänen

Stahlrahmen. Öl an den Fingern. Lederjacke, die nicht von Zara kam.Er sagte wenig. Aber wenn, dann meinte er es.Rauchte, weil er wollte. Fuhr, weil er musste.Kein Helm. Kein Plan. Aber Haltung. E-Scooter. Bildschirmzeit. Urbaner Bart mit Pflegeöl.Er redet viel. Meint wenig.Trägt T-Shirts mit Botschaft – von der StangeVersichert, vernetzt, vorsichtigMännlichkeit? Ja – aber bitte nachhaltig.

Der kaukasische Kreidekreis

von Bertold Brecht Es gibt Erlebnisse, die sich tief ins Gedächtnis eingraben, um dann, Jahrzehnte später, unvermittelt wieder aufzutauchen. So ging es mir mit Bertolt Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“, einem Theaterstück, das wir vor über 40 Jahren in der Schule gelesen und diskutiert haben und sogar noch geprüft worden sind. Warum es mir ausgerechnet heute … Weiterlesen

Notre-Dame-du-Haut, Ronchamp

Die Arche Noah aus Beton? Von weitem betrachtet, wenn man den Weg zur Kapelle hinaufgeht, erinnert die geschwungene Dachform an die Arche Noah, als sei das Gebäude nicht nur ein Schutzraum, sondern auch ein Symbol der Errettung und des Neuanfangs. Doch sobald man sich dem Bau nähert, entfaltet sich eine architektonische Welt voller Widersprüche, unerwarteter … Weiterlesen

Hauptweg und Nebenwege

(1929) von Paul Klee – Wege durch das Leben Das Bild zeigt ein scheinbar abstraktes Netz aus Linien, das an ein Labyrinth oder einen Stadtplan erinnert. Ein dominanter „Hauptweg“ zieht sich durch die Komposition, flankiert von kleineren, teils unterbrochenen Nebenwegen. Die Farbpalette – mit warmen, erdigen Tönen und kühleren Blauschattierungen, erzeugt eine Mischung aus Wärme … Weiterlesen

Thomas Bernhards „Alte Meister“

Ein Buch für die Insel Manche Bücher begleiten einen ein Leben lang. Manche hinterlassen Spuren, andere werden zu treuen Weggefährten. Wenn ich nur ein paar Bücher auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, wäre Thomas Bernhards „Alte Meister“ sicher darunter. Es ist schon fast vierzig Jahre her, als mir ein guter Freund und Bücherwurm diesen Roman … Weiterlesen

Marcel Reich-Ranicki und der verlorene Schatz der Literaturkritik

Es gibt Momente, in denen man bedauert, nicht vorgesorgt zu haben. Einer dieser Momente trifft mich immer wieder, wenn ich daran denke, das ich die legendären Sendungen des Literarischen Quartetts nicht aufgenommen habe. Marcel Reich-Ranicki und seine Mitstreiter boten eine Form der Literaturkritik, die heute nahezu ausgestorben ist: lebhaft, leidenschaftlich, polemisch und doch stets auf … Weiterlesen

Hybris und Gleichgültigkeit

Der Sturz des Ikarus als zeitloses Symbol Pieter Bruegels Gemälde Der Sturz des Ikarus (ca. 1560) ist eines der faszinierendsten Werke der Kunstgeschichte, nicht nur wegen seines meisterhaften Spiels mit Perspektive und Bewegung, sondern vor allem wegen dessen, was es nicht zeigt. Während in den meisten Darstellungen der Ikarus-Mythos mit Dramatik und Pathos inszeniert wird, … Weiterlesen