Angetrieben durch einen Post, in dem auf absurde Weise versucht wird, den dokumentierten sexuellen Terror vom 7. Oktober in ein juristisch unverwertbares Narrativproblem umzudeuten, entstand dieses kleine Theaterstück. Es ist eine satirische Groteske nicht gegen die Aufklärung, sondern gegen ihre Aushöhlung durch ideologische Begriffspflege, Sprachverwirrung und postmoderne Verdrehung.
Die Figuren ausser @DrMartinGak auf X, sind erfunden. Ihre Denkweise leider nicht.
Vorhang auf
Szene I
Eine düstere Kammer im Turm der postfaktischen Wahrheitswächter. Licht dimmt leicht.
Anwesende
Dr. Gak Selbsternannter Wahrheitsdetektor. Spezialist für juristische Haarspalterei mit Hang zur Fussnoten-Exegese. Trägt stets einen wallenden Mantel und ein leicht beleidigtes Weltbild.
Sein Motto: „Was nicht bewiesen ist, hat nicht stattgefunden.“
Der Pöbel Kollektives Publikum aus Verunsicherten, Zweiflern, Bürgern ohne Archivzugang. Reden selten und wenn, dann zu logisch.
Der Nebenkläger Früher mal Jurist, heute ironisch interessiert. Sitzt meist mit Brille, Notizblock und Restverstand im Publikum. Motto: „Ich frage ja nur.“
Ein unsichtbarer Protokollführer (nicht auf der Bühne, aber ständig mitnotierend). Alle Aussagen werden archiviert, zensiert, kontextualisiert.
Dr. Gak, mit wallendem Mantel und einem Stapel Paragrafen bewaffnet:
„Achtung! Israel hat nicht genug juristisch wasserdichte Beweise für Massenvergewaltigungen während eines Terrorangriffs! Ich fordere ein ordentliches Gerichtsverfahren mit versiegelten Zeugen, rückdatierter Fussnotenprüfung und einer eidesstattlichen Erklärung von Gal Gadot!“
Der Pöbel (leicht verwirrt): „Aber… es gibt Berichte von Überlebenden, Zeugen, Videos, internationale Untersuchungen…?“
Dr. Gak (in heiliger Empörung): „Pah! Berichte! Das ist doch kein Beweis, das ist narrrativ! Und ausserdem… Augenzeugen? Ohrzeugen? Bald auch noch Nasenzeugen?!“
Der Nebenkläger (liest interessiert mit): „Also wenn wir diesen Standard einführen, müssten wir den Nürnberger Prozessen auch nochmal nachrechnen, oder?“
Dr. Gak (mit blitzenden Augen): „Ruhe! Ich entlarve hier gerade die grosse sexuelle Verschwörung der Zionisten, …mit Fussnoten!“
Dr. Gak zieht ein schweres, graues Buch hervor,… verstaubt, vergilbt. Der Titel glänzt im Lichtschein: „Geheime Beziehungen zwischen Nazismus und Zionismus,… von M. Abbas, Moskau 1982
Dr. Gak (fast ehrfürchtig, flüsternd): „Hier… hier steht es…. Die Zionisten haben mit den Nazis kollaboriert. Der Holocaust wurde übertrieben, ….vielleicht sogar… erfunden. Seht ihr? Es war schon immer ein Narrativkrieg!“
Der Nebenkläger (die Brille richtend): „Dann ist also auch der 7. Oktober… ein jüdischer PR-Stunt?“
Dr. Gak (nickt wie ein Guru): „Natürlich. Die Opfer erzählen nur, was man ihnen beigebracht hat. Die Wahrheit liegt zwischen den Zeilen. Oder besser: zwischen den Fussnoten.“
Der Chor (leise, zweifelnd): „Aber… das ist doch antisemitische Geschichtsfälschung. Das ist….. Propaganda.“
Dr. Gak (empört): „Nein! Das ist alternative Erinnerungskultur! Wir sind keine Leugner,… wir sind Korrektive! Wir restaurieren die Wahrheit gegen die zionistische Übertreibungsindustrie!“
In diesem Moment fällt ein Zettel aus Abbas’ Dissertation zu Boden. Stille. Alle Blicke folgen dem fallenden Blatt. Der Nebenkläger hebt ihn vorsichtig auf. Das Papier ist vergilbt, von Hand beschrieben.
Der Nebenkläger (zögerlich, stockend):
„Es ist nicht entscheidend, was geschehen ist.
Entscheidend ist, was geglaubt wird.
Denn nur der Glaube schreibt Geschichte.
Die Opfer sind variabel – das Narrativ bleibt.’“
Der Chor (flüsternd)
„Ein interner Vermerk?
Ein Fragment?
Ein Bekenntnis?“
Dr. Gak (tritt vor, nimmt dem Nebenkläger das Blatt aus der Hand)
„Ein Missverständnis! Eine Randnotiz!
Nicht zur Veröffentlichung bestimmt – daher… irrelevant!“
Der Nebenkläger (blickt ihn an, leise):
„Oder die Quintessenz.“
Stille. Im Hintergrund flackert ein Projektor.
Worte erscheinen auf einer Leinwand, überlagern sich:
Wahrheit. Erinnerung. Verhältnis. Relativierung. Kontext. Zweifel. Glaubensfreiheit.
Sie flimmern, verblassen.
Dr. Gak (ins Publikum):
„Wahrheit ist, was kontrollierbar bleibt.
Wer zu viel weiss, muss gelernt haben zu vergessen.
Wer alles erinnern will, stört den Konsens.“
Der Chor (leise):
„Was ist schlimmer?
Das Vergessen?
Oder das Verdrehen?“
Licht blendet langsam aus. Auf dem Podest liegt nun nur noch das Buch – und der Zettel.
Eine Stimme aus dem Dunkel:
„Und wenn sie wieder kommen – was schreiben wir dann in die Fussnoten?“
Vorhang zu
Vorhang auf
Szene II
Der Fussnotenklerus tagt
Ort: Das Oberste Narrativgericht für internationale Erinnerungspolitik (ONIE)
Raum: Der Grosse Saal für Begriffsverhandlungen, unter dem Banner:
„Verstehen heisst Verlernen“
Anwesend:
Dr. Gak (Anklagevertretung, Narrativbeauftragter)
Prof. Dr. Clarissa Nebel (Sprachformfindungsdelegierte, neutral pronomenfrei)
Mag. Leon Gendersens (Referent für Betroffenheit ohne Beteiligung)
CLARIFY-9000, KI-Terminal für semantisch validierte Empörungsprüfung
Der Vorsitzende, ein aufgeschlagener Reader ohne Cover
Vorsitzender (ohne Blickkontakt): „Wir eröffnen die Sitzung zur Definition und Bewertung des Begriffes ‘Vergewaltigung’ im postkolonialen Diskursumfeld. Dr. Gak, Sie haben das Wort.“
Dr. Gak (mit wehendem Talar): „Ich beantrage, den Begriff Vergewaltigung vorläufig auszusetzen. Er ist moralisch aufgeladen, emotional übergriffig und kann, wie Studien zeigen, in kolonialen Zusammenhängen als westlich dominiert empfunden werden.“
Prof. Nebel : „Ich schlage vor, stattdessen von‚ situativ erlebter Intimitätsüberforderung‘ zu sprechen.“
CLARIFY-9000 (piept): „Begriff validiert. Missverständnisquote: 87 %. Gut für Diskurs.“
Mag. Gendersens (blättert nervös): „Aber… äh… gibt es nicht trotzdem echte Opfer? Also, im physischen Sinne?“
Dr. Gak (winkt ab): „Wohl kaum beweisbar. Ohne Gericht, ohne Materialspuren, ohne Instagram-Story ist nichts dokumentiert. Wir müssen uns davor schützen, Emotionen mit Justiz zu verwechseln.“
Vorsitzender (gähnt in eine Fussnote): „Gibt es Gegenanträge? Nein? Gut. Dann beschliessen wir folgende Punkte:“
1. Der Begriff Vergewaltigung wird durch „emotional kodierte Nähe-Erfahrung unter asymmetrischen Bedingungen“ ersetzt.
2. Opferberichte ohne Peer Review gelten als subjektives Material mit poetischer Relevanz.
3. Gal Gadot wird als kulturell kompromittiert eingestuft.
4. Der Angriff vom 7. Oktober bleibt vorerst semantisch schwebend.
CLARIFY-9000 (leuchtet grün): „Narrativbereinigung abgeschlossen. Wahrheit ab sofort fakultativ.“
Dr. Gak (zufrieden, faltet sein Manuskript): „Die Aufklärung siegt, …mit Anstand und Fussnote.“
Schlussbild: Ein Fenster öffnet sich. Man hört entfernt einen Hund bellen. Ein Windstoss weht ein neues Papier in den Saal.
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Szene III
Der Ausschuss für Schuldverteilung und Kontextualisierung
Ort: Sitzungsraum D, zweites Untergeschoss des Ministeriums für Empathiegerechte Erinnerungspflege. An der Wand: ein Organigramm mit der Aufschrift:
„Verantwortung ist relativ – Schuld ist verhandelbar“
Anwesend:
Dr. Dalia von Differenz, Vorsitzende, promoviert in Vergleichsempörung
Herr Bias, Vertreter der Disziplinarischen Unschärfe
Frau Relata, Beauftragte für Historische Umgewichtung
CLARIFY-9000 semantisches Begleitsystem
Ein leerer Stuhl auf dem ein Schild steht: „für das Gefühl“
Dr. von Differenz (mit leichtem Lächeln): „Wir kommen zur heutigen Hauptsache, der vorläufigen Neubewertung der Ereignisse vom 7. Oktober aus transkulturell gerechtigkeitsnaher Perspektive.“
Herr Bias (blättert nervös in einem Atlas): „Wollen wir das Datum nicht lieber vermeiden? Zahlen triggern.“
Frau Relata (nickt):„Ich schlage vor: Der Vorfall zur Umstrukturierung diskursiver Symmetrien in der Region südöstlich der Meeresgrenze.“
CLARIFY-9000 (meldet): „Sprachlich validiert. Reizbelastung reduziert. Verantwortung unscharf.“
Dr. von Differenz (blättert in einem Dokument):„Kommen wir zur Frage der Schuld. Wer war beteiligt? Wer hat provoziert? Wer war… unangemessen real?“
Frau Relata: „Israel war bewaffnet. Das reicht für eine Kontextschuld. Und es gab Strom. Also koloniale Infrastruktur.“
Herr Bias (nachdenklich): „Die Opfer… haben sie vielleicht zu laut geweint? Es gibt Berichte, dass Schreie Vorurteile auslösen können.“
CLARIFY-9000 (surrt): „Empörungsparität empfohlen. Beidseitige Gewaltvermutung mit Gewichtungsmodul aktiv.“
Der leere Stuhl quietscht. Niemand sagt etwas. Die Luft riecht nach Unverbindlichkeit. Ein Blatt Papier fällt auf den Tisch. Titel: „Zwischen Betroffenheit und Benehmen, Handreichung zur Täter Opfer-Symmetrie“
Dr. von Differenz (erleichtert): „Dann können wir das Protokoll wie folgt schliessen: Die Verantwortung wird kollektiviert, die Schuld ästhetisiert, die Erinnerung optionalisiert.“
CLARIFY-9000 (flackert kurz): „Moralischer Gleichstand hergestellt.“
Frau Relata (zufrieden): „So fühlt sich Gerechtigkeit an.“
Letzter Satz, wie aus einem Nebelsprecher: „Die Geschichte wiederholt sich nicht. Sie wird umformuliert.“
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Szene IV
Das Museum der verschollenen Begriffe Ort: Eine stillgelegte Halle mit Glaskästen, staubigen Vitrinen und vergilbten Ausstellungstafeln. Über dem Eingang steht in verblassten Lettern: „Hier ruhen Worte, die zu viel meinten.“
Gedämpftes Licht. Langsame Schritte. Ein Hund betritt den Raum.
Hund (blickt sich um, ruhig, fast neugierig): Ein seltsamer Ort. Kein Duft, kein Leben, nur Konzepte. Eine Halle voller Wörter, die man nicht mehr sagen darf, weil sie entweder zu wahr waren oder zu nützlich.
Vitrine 1: „Wahrheit“
Beschreibung: Verblasst.
Zettel: „Letzte Sichtung: vor Einführung der Mehrperspektivitätspflicht.“
Vitrine 2: „Schuld“
Zerkratzt, angebissen.
Zettel: „Verlor in der Postmoderne an Gewicht. Wird nun relativ verteilt.“
Vitrine 3: „Verantwortung“
Eingeschlossen in Sicherheitsglas.
Warnschild: „Zutritt nur mit Kollektiv.“
Vitrine 4: „Mensch“
Kaum lesbar.
Zettel: „Zu emotional. Wurde durch Systemteilnehmer ersetzt.“
Hund schnuppert. Ein letzter Glaskasten steht etwas abseits.
Darin: ein leicht zerknitterter Begriff mit Eselsohr.
Die Aufschrift: „Gesunder Menschenverstand“ Status: Unzustellbar.
Hund setzt sich. Blickt ins Publikum. Lange. Still. Dann steht er auf, dreht sich um und pinkelt gegen den Sockel der Vitrine.
Stimme aus dem Off: „Danke, Hund. Mehr war nicht nötig.“
Vorhang zu